Veranstaltungen – 10 Tipps aus der Praxis
Ute Volz, Kommentar,
Veranstaltungen sind ein wichtiges Element einer offenen, freien und demokratischen Gesellschaft, meint unser Gastautor Alexander Thamm. Der Moderator und Stiftungsexperte reagiert auf unsere Haltung gegenüber Veranstaltungen im sozialen Sektor.

Diese haben wir gerade im Blogbeitrag „Nicht um ihrer selbst willen“ veröffentlicht. In seinem Gastbeitrag kontert Alexander Thamm mit einigen differenzierten, handfesten Empfehlungen für Stiftungen ebenso wie für soziale Organisationen.

Veranstaltungen – 10 Tipps aus der Praxis
von Alexander Thamm

Es ist gut, dass das Team der Benckiser Stiftung Zukunft offen und ehrlich seine Haltung zu Sinn, Nutzen und auch Überfluss von Veranstaltungen im sozialen Sektor reflektiert. Als Moderator und langjähriger Stiftungsmanager habe ich gute und schlechte, brillante und langweilige, oft einfach indifferente Veranstaltungen erlebt.

Dabei sind Veranstaltungen, sofern ehrlich gemeint, ein wichtiges Element einer offenen, freien und demokratischen Gesellschaft. Sie bauen Schranken ab und sind ein Ort um Menschen zu begegnen. Es können Meinungen ausgetauscht und Empathie aufgebaut werden. Erst dadurch ist die Basis für eine ehrliche Beziehung gelegt. Und diese brauchen soziale Akteure. Denn sie werden aktiv, weil sie einen Missstand in unserer Gesellschaft beheben wollen. Dafür brauchen sie Verbündete. Erfolgreiche NGO Macher können genauso gut reden wie handeln und dadurch Beziehungen aufbauen. Und überlassen dies nicht ihren Förderern.

Veranstaltungen können dafür hilfreich sein. Wenn Sie gut geplant und gemacht sind. Was sollten alle Beteiligten dabei bedenken?

  1. Zunächst die grundsätzliche Frage: Warum machen Sie die Veranstaltung und für wen? Für jene, die sie unterstützen? Für die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Organisationen? Die Öffentlichkeit? Oder doch nur für den eigenen Vorstand? Gerade Stiftungen müssen sich diese Frage stellen, sind sie doch Hauptveranstalter. NGO Vertreter sollten eingeladen werden, damit sie eine Rolle und Stimme bekommen. Und nicht, damit sie als schmückendes Beiwerk den Raum füllen. Die Verantwortung liegt beim Veranstalter: Wenn Geldgeber einladen, sagt keine geförderte Einrichtung ab.

  2. Gute Veranstaltungen brauchen nicht viele Gäste. Wenn man allen einmal die Hand geben kann und nicht mit 100 anderen in der Reihenbestuhlung sitzt, kommt man schneller ins Gespräch. Und die Veranstaltung wird interessanter, wertschätzender und produktiver für alle Beteiligte.

  3. NGOs sollten, wenn sie selbst einladen, nicht die Formate der Geber imitieren. Wenn das eigene Budget knapp ist, muss man nicht so tun als ob. Lassen Sie Förderer an Ihrer Wirklichkeit teilhaben, machen Sie sich selbst und die von Ihnen Unterstützten aber auch nicht zu unfreiwilligen Beschauungsstücken.

  4. Veranstaltungen sind ein schlechter Ort für Fundraising. Vielmehr sollten NGOs und soziale Einrichtungen Veranstaltungen nutzen, um Inspiration zu bekommen und das eigene Bild zu schärfen. Denn wenn man nicht regelmäßig seine Ziele reflektiert, vergisst man schnell das eigentliche „Warum mache ich das?“. Und somit auch die Überzeugungskraft für das eigentliche Fundraising. Das findet dann abseits der Veranstaltung statt.

  5. Veranstaltungen können ein Mittel der Personalentwicklung sein, gerade für NGOs. Stiftungen laden meist nur Gründerinnen und Gründer oder die Leitungsebene ein. Dem kann man sich widersetzen. Schauen Sie unter Ihren Mitstreitenden, wer im Sinne von Personalentwicklung von Abendveranstaltungen, Tagungen und Kongressen profitieren könnte. Bringen Sie diese vorher mit zwei Menschen auf der Gästeliste in Kontakt. Mentoring einmal auf die eigene Organisation angewandt.

  6. Zwei neue Kontakte oder Ideen sollten pro Veranstaltung nachgearbeitet werden. Egal wie viele Menschen man getroffen hat oder was danach direkt wieder im Büro los ist. Wenn man bei einer Veranstaltung nicht zwei interessante Kontakte machen konnte, dann muss man in Zukunft auch nicht mehr hingehen.

  7. Man muss nicht immer auf eine Einladung warten, besonders als NGO. Abgestimmt auf die eigenen Interessen und betrieblichen Notwendigkeiten, sollte man immer wieder die Szene scannen. Und aktiv dafür sorgen, dass man auf die Gästeliste kommt. Dies kann man auch offen ansprechen. Dabei findet man heraus, ob überhaupt Interesse am Kontakt besteht.

  8. Es gilt als Anerkennung und Erreichen politischer Ziele, wenn sich Politikerinnen und Politiker auf Veranstaltungen zeigen. Meist gibt es dann ein Foto, anerkennende Worte und viel Arbeit davor. Wenn Sie mehr wollen, drehen Sie den Spieß um! Suchen Sie Mitstreitende, die sich auch für Ihre Zielgruppe oder Ihr Thema engagieren, identifizieren Sie gemeinsame politische Fragestellungen und laden Sie Politiker einmal im Jahr oder z.B. vor Wahlen ein. Im besten Fall haben Sie konkrete Maßnahmen und Vorschläge, über die gesprochen wird. Und auch hier: Nachhalten, was daraus geworden ist.

  9. Immer dieselben Menschen zu treffen, bringt einen nicht weiter. Diese „closed circles“ – oder gar „echo chambers“ – von Menschen bestätigen sich in ihr eigenen Überzeugung oder Arbeit gegenseitig. Als Gast einer Veranstaltung sollte man auch Unbekannte ansprechen. Und als Veranstalter mindestens zu 25 % Leute einladen, die noch nicht im eigenen Adressbuch stehen.

  10. Der Schreibtisch ist wichtig, aber man muss sich auch mal locker machen. Viele Veranstaltungen bieten dazu die Möglichkeit. Man muss es ja nicht übertreiben und vor lauter Veranstaltungen kein Privatleben mehr haben.

Und als letzten Hinweis, und dies ist nicht als Schleichwerbung für die eigene Arbeit gemeint: Holen Sie sich Profis rein, und zwar am Anfang, nicht erst, wenn alles steht. Diese haben den entscheidenden Blick auf die Dynamik einer Veranstaltung und können vor Fehlern warnen. Das erspart Zeit und Nerven, die man für die eigene professionelle Arbeit zurück am Schreibtisch benötigt.

Alexander Thamm ist Moderator und Facilitator. Zuvor hat er leitend im Stiftungssektor gearbeitet, förderte Zivilgesellschaft international. Er lebt in Kreuth, München und Berlin. Kontakt über alexander-thamm.de

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