Nicht um ihrer selbst willen: Veranstaltungen im sozialen Sektor
Ute Volz, Kommentar,
Für die einen im sozialen Sektor sind Veranstaltungen willkommene Abwechslung, für die anderen notwendiges Übel, für die Dritten Mittel zum Zweck. Wir halten die meisten für Zeitverschwendung.

Keine Sorge, wir rufen nicht zum Veranstaltungsboykott auf. Wir wollen aber die Selbstverständlichkeit durchbrechen, mit der Stiftungen, Sozialunternehmen und gemeinnützige Organisationen Veranstaltungen besuchen oder selbst ausrichten. Wir empfehlen gegenüber Veranstaltungen denselben kritischen Blick wie gegenüber dem Hochglanzdruck des Jahresberichts oder der bewilligten 500 EUR-Förderung, die den Antragsteller, einschließlich seiner Arbeitszeit, 2.000 EUR gekostet hat.

Wir, das Team der Benckiser Stiftung Zukunft, haben uns entschieden, dass wir uns mit einem kleinen Team auf unsere Arbeit konzentrieren wollen. Und deshalb bleiben wir am Schreibtisch. Oder wir treffen uns zum persönlichen Gespräch – mit Kooperationspartnern und Verbündeten und solchen, die es werden könnten. Und besonders gern auch mit Kritikern unserer Arbeit.

Wir wollen und dürfen keine Ausnahme bleiben. Alle Stiftungen und sozialen Organisationen sollten unseres Erachtens selbstbewusst zugunsten ihrer eigenen – stets limitierten – Ressourcen prüfen, welche Veranstaltung für wen wann einen tatsächlichen Mehrwert bringen kann. Nachfolgend die Fragen, die wir uns stellen, wenn uns wieder einmal eine Anfrage zu einem Workshop, Podiumsgespräch, Stiftungstag und dergleichen erreicht hat:

Ehrliche Ziele
Für Veranstaltungen brauchen wir Ziele. Für eigene Veranstaltungen ebenso wie für die, die wir besuchen. Diese Ziele müssen sich an unserem Stiftungsauftrag orientieren und sollten letztendlich auf die Wirksamkeit unserer Programmarbeit einzahlen. Wir informieren uns außerdem darüber, was der Veranstalter erreichen möchte. Soweit das möglich ist. Erscheint dies plausibel und im geplanten Rahmen realisierbar? Passen unsere Ziele zusammen?
Wenn wir begründet annehmen können, dass eine Veranstaltung für unsere Arbeit hilfreich ist, dann entscheiden wir uns für sie. Wenn uns kein guter Grund für eine Veranstaltung bzw. Veranstaltungsteilnahme einfällt, bleiben wir am Schreibtisch.

Ressourcenplanung
Eine Veranstaltung frisst Ressourcen. Eigene Veranstaltungen sowieso, die Teilnahme an Veranstaltungen anderer aber auch. Es geht mindestens um Organisation, Reisekosten und Arbeitsaufwand. Wenn wir überzeugt sind, dass eine Veranstaltung den Einsatz unserer Ressourcen rechtfertigt, entscheiden wir, wer aus dem Team involviert werden bzw. teilnehmen soll, wer von uns die gesetzten Ziele am besten erreichen kann.
Eine angemessene Vor- und Nachbereitung ist dabei unumgänglich. Die Zeit dafür planen wir ein. Und wir nehmen sie uns dann auch. Sollte eine Veranstaltung uns diese Zeit nicht wert sein, bleiben wir am Schreibtisch.

Zufall bleibt Zufall
Am wenigsten planbar auf Veranstaltungen sind wahrscheinlich die Begegnungen mit Referenten und anderen Teilnehmern – das berühmt-berüchtigte Vernetzen. Der Zufall entscheidet oft, wen man trifft und wie ausführlich. Der Zufall kann aber auch nicht eintreten. Deshalb verabreden wir Begegnungen im Vorfeld. Ein geplantes Gespräch ist immer nachhaltiger als eine (zufällige) Begegnung am Stehtisch. Oder aber wir treffen uns unabhängig von der Veranstaltung und bleiben bis dahin am Schreibtisch.

Mut zur Absage
Letztlich muss jede Organisation vor jeder Veranstaltung für sich entscheiden, ob und wie sich die Umsetzung bzw. Teilnahme wirklich lohnt. Thema, Schwerpunktsetzung, Formate und Zeitplanung, Referentenauswahl und Teilnehmerkreis sollten bei dieser Entscheidung berücksichtigt werden. Maßgeblich ist schließlich aber die eigene Programmarbeit. Und im Zweifel verzichten wir auf eine Veranstaltung – und bleiben am Schreibtisch.

Mehr zum Thema „Veranstaltungen“ im Z Blog: Mit 10 Tipps aus der Praxis reagiert Gastautor Alexander Thamm auf unseren Blogbeitrag

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