Große Geldgeber bringen große Herausforderungen
Niklas Ruf,
Bei der Umsetzung von Social Impact Bonds (SIB) kommt der Vorfinanzierung eine zentrale Rolle zu. Im angelsächsischen und vor allem US-amerikanischen Umfeld treten hierbei verstärkt institutionelle Anleger wie beispielsweise Banken als Geldgeber auf, was oftmals als idealtypische Lösung auch für den deutschsprachigen Raum gesehen wird. Zu Recht?

Tyler Moazed, der in den zurückliegenden Jahren als „project director“ in den USA zwei auf Bundesebene beauftragte Social Impact Bonds evaluiert hat und über einen fundierten Einblick in die Gesamtentwicklung in den USA verfügt, greift in einem Gastbeitrag jene Frage auf und stellt die großen Herausforderungen dar, die eine Involvierung von Privatinvestoren in einen Social Impact Bond mit sich bringen können. Eine Einführung in die SIB-Thematik finden Sie in folgenden Blog-Texten von uns: Was ist ein Social Impact Bond? und 10 x Social Impact Bond.

Große Geldgeber bringen große Herausforderungen: Weshalb institutionelle Anleger bei SIBs oft mehr Probleme bereiten, als sie lösen.
von Tyler Moazed

Social Impact Bonds (SIBs) erfreuen sich weltweit zunehmender Beliebtheit. Während jedoch das Konzept eines wirkungsorientierten Finanzinstruments, mit dem das Risiko des Steuerzahlers bei der Finanzierung sozialer Dienstleistungen verringert wird, überall identisch ist, sind bei der Umsetzung große Unterschiede festzustellen – sowohl landesintern als auch im Ländervergleich. Anders als in Deutschland und in Österreich treten in den USA beispielsweise verstärkt institutionelle Anleger als Geldgeber in Erscheinung. Das geht so weit, dass die Vorfinanzierung bei sieben von bisher acht laufenden US-SIBs größtenteils durch institutionelle Anleger (insbesondere Banken) gesichert wurde. Im Gegensatz dazu bezogen die beiden von Juvat geleiteten SIBs in Deutschland und in Österreich ihre Vorfinanzierung ausschließlich von gemeinnützigen Organisationen, denen es nicht primär auf eine hohe Verzinsung ihrer eingesetzten Mittel ankommt.

Einer der Hauptgründe für diese unterschiedliche Ausrichtung der Vorfinanzierung liegt in einer deutlich anderen Wahrnehmung von SIBs. Seit Einführung des Modells in den USA im Jahr 2012 wird es von vielen Branchenteilnehmern als neuartiges, sozialverantwortliches Investment wahrgenommen. Aufgrund dieses „Investmentdenkens“ haben große institutionelle Anleger eine zentrale Rolle bei der Finanzierung so gut wie aller aktiven SIBs gespielt. Wie bereits in einem vorherigen Blog-Beitrag von Juvat erklärt wurde, soll durch die Beteiligung institutioneller Anleger und die Auslegung von SIBs als Investment vor allem neues Kapital für den sozialen Sektor gewonnen werden. Während dieser Beitrag erläutert, weshalb dieser Ansatz problematisch ist, lassen sich an praktischen Erfahrungen in den USA zusätzlich einige unvorhergesehene Konsequenzen ablesen.

  1. Erhöhte Komplexität der SIB-Verträge – Die Beteiligung institutioneller Anleger wie etwa von Banken setzt den Abschluss komplizierter Verträge voraus. Diese sind nicht nur umständlich (und oftmals Hunderte von Seiten lang), sondern setzen außerdem eine umfassende und kostenintensive Rechtsberatung aller Beteiligten voraus. Solch hohe Anwalts- und Verwaltungskosten können bereits im Vorfeld möglicher SIB-Projekte eine erhebliche finanzielle Belastung für regionale Behörden und Anbieter sozialer Dienstleistungen darstellen.
  2. Einflussnahme auf Erfolgskennzahlen – Wo institutionelle Anleger wie Banken als wichtige oder sogar primäre Geldgeber von SIBs auftreten, können diese erheblichen Einfluss auf die Projektstruktur nehmen. Da sie SIBs als Geldanlage betrachten, haben sie – wie bei all ihren Investments – das Ziel, ihre Rendite zu optimieren und gleichzeitig die Risiken zu senken. Bei herkömmlichen Investitionen ist dies eine Selbstverständlichkeit. Bei SIBs kann dies jedoch dazu führen, dass die Erfolgskennzahlen und die Rückzahlungsbeträge so angepasst werden, wie es für den Investor ideal ist (niedrig angesetzte Zielkriterien, die bereits bei geringen Erfolgen zur Ausschüttung einer große Rendite führen) und dann im Widerspruch zu den Zielen der Auftrag gebenden staatlichen Behörde beziehungsweise Kommune stehen. Möglicherweise werden somit Rückzahlungsmodalitäten durchgesetzt, die den Einsparzielen der Kommune zuwiderlaufen.
  3. Ausstiegsstrategien – Aufgrund des Investmentcharakters von SIBs in den USA sind private Investoren nach Kräften bemüht, ihr Investment zu schützen. Eine verbreitete Strategie zur Reduzierung der Gefahr eines Totalverlusts ist die Aufnahme von „Ausstiegsoptionen“ in SIB-Verträge. Diese Ausstiegsklauseln schreiben in der Regel verschiedene Zwischenziele vor, die mit dem Erfüllen bestimmter Aufgaben beziehungsweise der Einhaltung bestimmter Termine verknüpft sind. Wenn diese Anforderungen ganz oder teilweise unerfüllt bleiben, können die Anleger das investierte Kapital zurückziehen und das Projekt damit faktisch sterben lassen. Eine Kapitalrücknahme vor Abschluss des Projekts birgt erhebliche Gefahren für Projektteilnehmer und den Dienstleistungsanbieter.

Im Zuge der weiteren Beschäftigung mit dem SIB-Modell und seinen vielfältigen Ausprägungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern wird das Maß der Beteiligung privater Investoren ein wichtiges Thema sein. Am Ende wird die öffentliche Hand die Vorteile von privatem Kapital gegenüber möglichen Konsequenzen abwägen müssen, um die für sie richtige Lösung zu finden.

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