Chancen und Grenzen von Social Impact Bonds
Niklas Ruf,
Was motiviert öffentliche Hände, erfolgsorientierte Finanzierungsansätze wie Social Impact Bonds zu pilotieren? Sind die Gründe immer dieselben wie in Großbritannien, dem Ursprungsland der Social Impact Bond Idee? Oder gibt es Unterschiede, je nachdem in welchem Land die Umsetzung erfolgt?

Michael Hagelmüller, der als Mitarbeiter des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz an der Initiierung des österreichweit ersten Social Impact Bond Pilotprojekts „PERSPEKTIVE:ARBEIT“ beteiligt war, greift in einem Gastbeitrag jene Fragen auf und grenzt dabei die Herangehensweise in Österreich von derjenigen im angelsächsischen Raum deutlich ab.

Chancen und Grenzen von Social Impact Bonds
von Michael Hagelmüller

Social Impact Bonds (SIB) werden mittlerweile nicht nur im angelsächsischen Raum umgesetzt, auch in Österreich wird der erste SIB, der im Bundessozialministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz entwickelt wurde, pilotiert. Die Herangehensweise ist dabei eine vorsichtigere: Während in Großbritannien SIBs schon für das mit 2,8 Mrd. Pfund dotierte Beschäftigungsprogramm „The Work Programme“ breite Anwendung finden, setzt das Sozialministerium beim Pilotprojekt in Oberösterreich auf eine umfangreiche und kritische Evaluierung, bevor weitere SIBs in Betracht gezogen werden. Das ist verständlich, schließlich wurden SIBs als Finanzierungsinstrument in Großbritannien entwickelt und das wohlfahrtstaatliche Modell der Briten wird in Österreich bisweilen kritisch gesehen. Zinsen für die erfolgreiche Erbringung sozialer Dienstleistungen, die Einbindung privater InvestorInnen und die Messung von sozialen Wirkungen klingen nach Marktfundamentalismus und können, so kritische Stimmen, dazu führen, den Staat aus seiner Verantwortung für das Gemeinwohl zu entlassen.[1]

Wer SIBs aber als marktbasiertes Instrument zur Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen abtut, verkennt das Potential, als Prototyp sektorübergreifender Kooperationen und staatlicher Steuerung zu fungieren. Die enge Zusammenarbeit von öffentlicher Hand, InvestorInnen und den sozialen DienstleisterInnen trägt auch dazu bei, lang angestammte Grenzen zwischen den Welten der AkteurInnen aufzulösen. Gerade in Österreich ist „Venture Philanthropy“ beziehungsweise „wirkungsorientiertes Investieren“ (Impact Investment) von privater Seite noch ein wenig verbreitetes Phänomen.[2] Private InvestorInnen, die in soziale Zwecke investieren wollen, werden oft aufgrund des fehlenden, öffentlichen Auftrages und der damit einhergehenden demokratischen Legitimation kritisiert. Tatsächlich gibt es aber unterschiedliche Kompetenzen, die im Rahmen eines SIBs zum Tragen kommen: Während InvestorInnen den Blick für langfristige, finanzielle Stabilität und die sozialen DienstleisterInnen Wissen in der Arbeit mit der Zielgruppe mitbringen, weiß die öffentliche Hand, in welchem sozialen Problemfeld Interventionen und neue Lösungsansätze oder Kooperationen besonders notwendig sind. Schon jetzt zeigt sich beim Pilotprojekt des Sozialministeriums, dass das „Silo-Denken“ durch die intensive Zusammenarbeit durchbrochen wird, indem den Beteiligten vor Augen geführt wird, dass möglicherweise die Methoden, nicht jedoch die Zielsetzungen des Gegenübers von den eigenen abweichen.

Jedoch müssen gerade in Österreich, wo die öffentliche Hand nach wie vor eine tragende Rolle in der Steuerung und Finanzierung sozialer Dienstleistungen einnimmt, die Ängste vor dem Rückzug des Staates aus dem Sozialbereich ernst genommen werden. Neue Instrumente wie SIBs müssen so angewandt werden, dass sie der österreichischen Gesellschaft mehr Nutzen bringen und nicht als Legitimation für den Rückbau sozialstaatlicher Strukturen dienen. Hier kann der Fall Großbritannien als Negativbeispiel herangezogen werden: Die britische Regierung stärkte die Rolle der Zivilgesellschaft durch das sogenannte „Big Society“-Programm, gleichzeitig wurde der Sozialstaat aber an anderer Stelle massiv zurückgefahren.[3] Heute kann das „Big Society“-Programm als gescheitert angesehen werden. Eine Studie des britischen Think Tanks Civil Exchange[4] stellte einige fundamentale Defizite beim britischen Ansatz fest: Die britische Regierung sah die Zivilgesellschaft als reine Dienstleisterin im Auftrag des Staates und beauftragt wurden in erster Linie große Unternehmen und nicht regional verwurzelte Organisationen. Das Potential, den dritten Sektor stärker einzubinden und ihm auf Augenhöhe zu begegnen, wurde so verspielt.

In Österreich steht die Entwicklung, was die Einbindung neuer zivilgesellschaftlicher AkteurInnen wie etwa Stiftungen angeht, noch am Anfang. Es gilt daher, gerade zu Beginn sicherzustellen, dass SIBs (und weitere neue Lösungsansätze aus der Zivilgesellschaft) als Ergänzung der umfangreichen österreichischen Sozialschutzsysteme eingesetzt werden. Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, universelle Sozialleistungen (z.B. Pflegegeld, Familienbeihilfe) oder die Bedarfsorientierte Mindestsicherung haben eine fundamentale Funktion, die privates Engagement nie ersetzen können wird: Sie sichern gegen Risiken wie Krankheit, Invalidität, Alter oder Arbeitslosigkeit ab und unterstützen, wenn aus eigener Kraft der Lebensunterhalt nicht mehr bestritten werden kann. Hier einzusparen, wäre für den Zusammenhalt der österreichischen Gesellschaft fatal. Natürlich kann der Druck, unter dem öffentliche Budgets stehen, durch indirekte Einsparungsmöglichkeiten, die durch Wirkungsorientierung oder Prävention entstehen, reduziert werden. Ein Rückbau, begründet mit dem Engagement von privater Seite, sollte aber tunlichst vermieden werden. SIBs verhindern im Erfolgsfall zwar, dass besonders gefährdete Personengruppen in einer dauerhaften Abhängigkeit von Leistungen aus den Sozialschutzsystemen bleiben, und führen somit zu Einsparungen für die öffentliche Hand. Ein Rückbau des Sozialschutzes ist dadurch aber nicht legitimiert, geschweige denn induziert.

Aus dem Beispiel Großbritannien sollten in Österreich daher die richtigen Lehren gezogen werden: Es bedarf einer kritischen und aktiven Auseinandersetzung mit AkteurInnen und Methoden des dritten Sektors und nicht eine Abkehr davon. Die öffentliche Hand muss neu definieren, wie sich das Engagement von privater Seite fördern und steuern lässt, ohne die Verantwortung für das Gemeinwohl abzugeben. In der Literatur gibt es schon erste Versuche, diesen Ansatz zu konzeptualisieren: New Public Governance (NPG) beschreibt staatliches Handeln, das auf die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungseinheiten, der Zivilgesellschaft und privaten AkteurInnen setzt. In dieser Sichtweise nimmt der Staat weiterhin seine wichtigsten hoheitlichen Aufgaben (Sozialschutz, Bildung, Gesundheitssystem etc.) wahr, jedoch versucht er, über Steuerung und Vorgabe von gesamtgesellschaftlich erstrebenswerten und demokratisch legitimierten Zielen auch zivilgesellschaftliche Kräfte einzubinden, um so Wissen, Ideen und Ressourcen für das Gemeinwohl zu mobilisieren. Das SIB-Pilotprojekt kann hier als erster „Test“ angesehen werden, um eine Grundlage für weitere Kooperationen, unabhängig ob als SIB oder in anderer Form, zu legen. Schlussendlich geht es darum, die vorhandenen Mittel effektiv und effizient einzusetzen, um damit mehr Menschen zu erreichen und sicherzustellen, dass auch in Anbetracht knapper öffentlicher Budgets möglichst vielen Menschen eine hohe Lebensqualität ermöglicht werden kann.

*[1] zeit.de/2012/38/Geldanlage-Soziale-Bonds-Rendite/seite-2
[2] epub.wu.ac.at/4059 und bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/user_upload/Studie_Wirkungsorientiertes_Investieren.pdf
[3] neweconomics.org/publications/entry/surviving-austerity
[4] civilexchange.org.uk/whose-society-the-final-big-society-audit

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